Politik

Orwells Brieftasche: Wie das eID System der EU den Weg in den Überwachungskapitalismus ebnet

Stage 6
Thomas Lohninger
Stell dir vor alle Menschen haben Personalausweis, Führerschein oder Bahnkarte bequem am Smartphone in einer digitalen Brieftasche dabei. Stell dir vor jede Zugfahrt, jeder Restaurantbesuch und jeder Login auf einer Website werden an zentraler Stelle protokolliert. Das geplante eID Gesetz der EU droht die Anonymität abzuschaffen, online & offline.
Durch die Covid-19 Pandemie gab es einen Digitalisierungsschub in vielen Lebensbereichen. Die fehlende Digitalkompetenz vieler öffentlicher Einrichtungen wurde deutlich. Dieses Problem will die EU nun mit ihrer Reform der Gesetze für elektronische Identität lösen. Alle 27 EU Staaten sollen demnach ihren Bürger*innen digitale Brieftaschen anbieten. Das ist eine App mit der man sich online und offline identifizieren können soll, wie mit einem Personalausweis. Mit der App soll man sich auch bei Facebook, Google und anderen großen Online Diensten anmelden können, dazu verpflichtet das Gesetz diese großen Tech-Firmen. Bürger*innen sollen auch Eigenschaften über sich mit der digitalen Brieftasche preisgeben können, wie zum Beispiel Alter, Lenkerberechtigung oder Studierendenausweis. Leider hat man den Datenschutz bei diesem Gesetz vergessen. Jede Transaktion auf dem System kann von zentraler staatlicher Stelle eingesehen werden. Die Altersüberprüfung bei der Disco oder einer Website wird damit zentral erfasst. Erstmals wird die eID auch für Firmen geöffnet, die damit ihre Kund*innen und Besucher*innen erfassen können. Die Privatwirtschaft hat laut dem Gesetzesentwurf keine Auflagen sich an besondere Regeln zu halten, was angesichts der lückenhaften Durchsetzung des Datenschutzrechts in Europa mittelfristig zu einer Verwendung der digitalen Brieftasche für Tracking, Profiling und Werbung führen wird. Mit diesem Gesetz werden Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet ihrer Bevölkerung eine eindeutige, lebenslange ID zuzuweisen. Die EU-Kommission schlägt damit etwas vor, was in mehreren Mitgliedsstaaten bislang verboten oder sogar als verfassungwidrig ausgeschlossen war. Die Pläne der EU gehen stark in die Richtung einer Smartphone-App für die digitale Brieftasche. Dann gibt es auf dem Telefon alles was man braucht um sich auszuweisen oder rechtsgültig zu unterschreiben. Besonders billige Smartphones und Menschen ohne ausreichend digitale Kompetenz sind damit gefährdet Opfer von Identitäsdiebstahl zu werden. Wer kein Smartphone hat, könnte von der gesellschaftlichen Teilhabe ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Es gibt jetzt schon Beispiele in der EU, wo staatliche Leistungen teurer werden, wenn Kund*innen keine eID verwenden, um mit dem Staat zu interagieren.

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Type Vortrag
Language German

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