Vom Darkroom in die Blackbox

Der Vortrag zeichnet erstens eine Kulturgeschichte der schwulen Subkultur und erklärt, warum Darkrooms und ähnliche Orte, an denen schwuler Sex in der semi-Öffentlichkeit vollzogen wird, konstitutiv für die schwule Szene waren. Zweitens werden die Effekte der Digitalisierung dieser Orte hin zu Plattformen wie früher GayChat oder heute Grindr aufgezeigt. Drittens wird gezeigt, warum homosexuelle Cruising-Apps wie Grindr kultur- und softwaretechnisch grundlegend anders aufgebaut sind als heterosexuelle Dating-Apps wie Tinder. Mit dem Vortrag möchte ich einen Anstoß geben, Dualismen wie Homo- und Heterosexualität, Cruising und Dating, Promiskuität und Monogamie zu hacken. Ich möchte zeigen, dass Interaktivität auf Datingplattformen häufig eine Illusion ist, und versuchen, gemeinsam mit dem Publikum Wege zu finden, den „interpassiven”-Konsumstatus im Onlinedating aufzubrechen. Zu meinem Hintergrund und meiner Motivation: Ich studiere Kulturwissenschaften und nebenbei ein wenig Informatik. Über das letzte halbe Jahr habe ich zwei längere Arbeiten über die Digitalisierung von schwulem Cruising verfasst und arbeite aktuell an einer dritten. Beim Forschen ist mir wichtig, nicht nur die Auswirkungen von schwulen Onlineplattformen zu beobachten, sondern diese genauso als Blackbox zu begreifen. Eine Blackbox, die auf ihre Geschichte untersucht und aufgemacht werden muss, um genau zu verstehen, wie sie funktioniert. Mir ist es ein besonderes Anliegen, über meine Untersuchungen zu sprechen, weil ich das Szenesterben als belastend empfinde und eine enorme Schwächung des queeren Aktivismus durch die stärker werdende Verlagerung der Szene in einen virtuellen Raum erwarte. Gleichzeitig konnte ich beobachten, wie auch viele heterosexuelle Menschen durch ihr promiskuitives Verhalten größer werdenden Stigmata ausgesetzt werden. Auch diese nebensächliche Beobachtung empfinde ich als besorgniserregend und würde gerne einen Raum eröffnen, um darüber zu sprechen.